Thomas Fuchs, der Berner Stadtrat sowie Präsident der SVP Stadt Bern und der SVP Bümpliz sowie der Schweizerischen Vereinigung Pro Libertate, zieht Bilanz über die vergangenen Abstimmungen in Stadt und Kanton. Nach wie vor fordert er das Gewerbe administrativ zu entlasten und mehr Freiheiten zu gewähren. Besonders beschäftigt ihn die Pandemie, die immer mehr zur menschlichen Katastrophe mit Langzeitfolgen wird. Ebenso spricht er über das Berner Budget und appelliert dabei wieder bescheidener zu werden.
Schauen wir zurück zum Abstimmungswochenende vom 7. März 2021. Im Kanton Bern bleibt es bei maximal zwei bewilligungsfreien Sonntagsverkäufen pro Jahr. Ist das nicht eine verpasste Chance, Detailhandel und KMU gerade in der Krise zu fördern und zu stärken? Wieso diese Ablehnung?
Thomas Fuchs: Abstimmungen mit Varianten und Stichfragen sind für mich nicht optimal. Zudem kommt hinzu, dass die Gewerkschaften seit Jahren Sonntagsarbeit als schlecht darstellen, obwohl es durchaus Leute gibt, die halt nicht von fix Montag bis Freitag arbeiten und wie im Ausland gerne zu anderen Zeiten einkaufen würden. Es gäbe auch genügend Angestellte, die gerne mit Lohnzuschlägen an einzelnen Sonntagen arbeiten würden. Wie gesagt, im Ausland will man dies unbedingt, bei uns ist man prinzipiell dagegen. Allzu oft erwische ich sonntags auch Linke im Tankstellenshop, dann haben diese sofort eine billige Ausrede zur Hand. Wir sollten froh sein, wenn möglichst viele Leute arbeiten können und die Wirtschaft floriert. Viele Touristen verstehen zum Beispiel nicht, wieso am Sonntag fast überall geschlossen ist. Vier Sonntagsverkäufe pro Jahr hätten niemandem wehgetan.
Wie kann man gerade jetzt in der aktuellen Situation die KMU in der Stadt Bern und Region effizient unterstützen, respektive ist die Stadt Bern genug gewerbefreundlich?
Lokal einkaufen und sich lokal beraten lassen und nicht alles immer nur im Internet bestellen oder gar ins Ausland fahren, um ein paar Franken sparen zu können. Hier hat es jede Konsumentin und jeder Konsument selber in der Hand, wo und wie er sein Geld einsetzen will. Die Stadt sollte zudem das Gewerbe administrativ entlasten und mehr Freiheiten gewähren.
Bleiben wir beim Gewerbe. Die Läden haben wieder geöffnet, doch die Gastrobetriebe sind Corona bedingt immer noch geschlossen. Wie beurteilen Sie diesen Lockdown des Gastgewerbes und das Ringen im Parlament darum?
Es ist ein Trauerspiel was hier abläuft. Die Gastronomie und Fitnesszentren sind mit ihren Schutzkonzepten und Abständen sicher nicht gefährlicher als grosse Einkaufszentren oder Ladengeschäfte. Kinos und Kulturzentren sind nun bald ein halbes Jahr geschlossen. Es hat Tausende von Mitarbeitenden in dieser Branche, die seit Monaten nicht arbeiten dürfen, und Hunderttausende von Menschen, die sozial vereinsamen. Man kann solche Probleme nicht einfach mit Geld lösen. Hier kommt eine menschliche Katastrophe mit Langzeitfolgen auf uns zu.
Die Stimmberechtigten der Stadt Bern haben allen vier städtischen Abstimmungsvorlagen zugestimmt. Der Kredit für die Bau- und Verkehrsmassnahmen beim Bahnhof Bern wurde mit 57,67 Prozent Ja-Stimmen angenommen, der Investitionsbeitrag für den Bau einer neuen Festhalle mit 51,13 Prozent und die für den Neubau notwendige Überbauungsordnung Mingerstrasse-Papiermühlestrasse mit 64,17 Prozent Ja-Stimmen. Schliesslich wurde mit 88,69 Prozent Ja-Stimmen auch die Überbauungsordnung für das Meinen-Areal gutgeheissen. Die Stimmbeteiligung lag bei 57,97 Prozent. Haben Sie diesen Abstimmungsausgang so erwartet?
Ja das habe ich. Es wird Zeit, dass das Meinen-Areal endlich überbaut und effizienter genutzt wird. Einmal mehr hat man aber die Parkplätze künstlich verknappt und wird so die Umgebung mit Suchverkehr belasten. Die neue Festhalle hat die Hürde nur knapp geschafft. Dies zeigt wie wirtschaftsfeindlich Bern stimmt und wählt und wie egoistisch gerade viele Kulturschaffende nicht wollten, dass sich der Standort Bern auch national besser positionieren kann. Auch aus Behindertensicht war der Neubau längst fällig, denn die alte Festhalle war damals nur als Provisorium erstellt worden. Bald wäre sie noch denkmalpflegerisch geschützt worden.
Gerade die Verkehrsmassnahmen beim Bahnhof Bern waren sehr umstritten. Was bedeutet dieses Ja konkret für die Stadt Bern?
Der Ausbau des Bahnhofs Bern ist für die Stadt Bern wichtig und nötig. Mit dem neuen Bahnhof sollte es auch viele neue Bahnanschlüsse an internationale Linien geben. Beim Hirschengraben hat man schon früh Planungsfehler gemacht und wenig Flexibilität und noch weniger Sensibilität gezeigt. Es ist eine Schande, wie hier ein Baumpark platt gemacht wird. Linkes Hauptziel bleibt ohnehin ein autofreier Bahnhofplatz.
Die Jahresrechnung 2020 der Stadt Bern schliesst mit einem Defizit von 11,5 Millionen Franken und damit 24,6 Millionen Franken unter Budget ab. Das Resultat der rot-grünen Regierung? Oder anders gefragt: Hätte man dies mit einer cleveren Finanzpolitik vermeiden können?
Ja, hätte man, wenn man nicht viele Jahre lang in Saus und Braus gelebt hätte und sich jedes linke Extra geleistet hätte. Man hat sich förmlich ein linkes Biotop gebaut, bei welchem nun das Frischwasser fehlt. Der Abbau von 238 Stellen – notabene ohne Entlassungen – ist bedauerlich und tönt nach viel. Mit diesem Abbau erreichen wir aber nur wieder das Niveau von 2015, was aufzeigt, wie man laufend neue Stellen geschaffen hat. Viel schlimmer ist jedoch die geplante massiver Erhöhung von Hundetaxen, Parkkartengebühren, eine neue Feuerwehrersatzabgabe, höhere Campingplatzgebühren und Eisbahngebühren oder die geplante Schliessung des Friedhofs Bümpliz, welche für mich skandalös ist. Der Westen von Bern soll einmal mehr eine erhöhte Last tragen – daher will man gleich bei drei Schulhäusern im Westen die notwenigen Sanierungen um Jahre hinausschieben.
Wie würden Sie das Berner Budget wieder ins Lot bringen?
Es ist zu prüfen wie durch eine bessere Nutzung von Objekten und Plätzen Mehreinnahmen generiert werden können. Bei sämtlichen Bauprojekten sind die Ausgaben für Kunst am Bau auf ein Minimum zu reduzieren. Die baulichen Standards sind wo möglich zu reduzieren, und die Baukosten bei allen laufenden Bauten um mindestens zehn Prozent zu senken. Der Familiennachzug und die Einwanderung in die Sozialwerke sind nicht weiter aktiv voranzutreiben. Für Arbeitslose und Sozialhilfebezüger sind fixe Tagesabläufe und Arbeiten für das Gemeinwerk zu organisieren (Waldarbeiten, Putzarbeiten, Unterstützung und Entlastung des Gesundheitspersonals usw.). Die Inanspruchnahme von Geldern aus dem Lotteriefonds ist zu intensivieren. Büros in der Innenstadt sind in günstigere Lokalitäten zu verlegen, damit neue attraktive Steuerzahlende nach Bern ziehen können. Die laufende Aufhebung von Parkplätzen und damit der Verlust von Einnahmen ist sofort zu stoppen. Wir müssen wieder bescheidener werden und nicht alles dem Staat überlassen. Schlussendlich ist es wie mit dem privaten Haushalt, man kann nicht langfristig mehr ausgeben als man einnimmt.
Was beschäftigt Sie als Stadtberner politisch in diesem Jahr besonders?
Wie lange diese Corona-Krise unser Leben noch dominiert und bestimmt. An Festivals und Leben in und auf den Strassen ist noch nicht zu denken und der soziale Abstand zwischen den Menschen wird grösser als zwei Meter. Wir sollten wieder vermehrt auf unsere ältere Generation achten und diese schützen. Bei der Beschaffung von Impfstoff hat der Bund kläglich versagt, wie zu Beginn der Pandemie mit den fehlenden Masken. Es ist traurig, dass viele Impfwillige bis heute noch keinen einzigen Impftermin vereinbaren konnten.
Sie sind auch Präsident diverser sozialer Institutionen in Bern. Was motiviert Sie, sich für diese «gute Sache» zu engagieren?
Unser Land ist mit der ehrenamtlichen Arbeit gross und stark geworden. Das Vereinswesen ist der gesellschaftliche Motor und für viele der beste Weg zu Zusammenarbeit und Integration. Auch hier geht momentan jahrelange Aufbauarbeit kaputt. Wir müssen uns wieder vermehrt um die Schwachen und Betagten kümmern. Wer viel hat, muss etwas davon abgeben und man wird feststellen, dass Schenken von Geld oder Zeit auch Freude bereiten kann und oft im grossen Ausmass positiv zurückkommt. Das letzte Hemd hat nach wie vor keine Taschen, für niemanden und das ewige Leben bleibt ein Traum. Helfen ist keine Altersfrage und darum gibt es nie genug Helferinnen und Helfer!
Was haben sich zum Beispiel die Berner Samariter für dieses Jahr auf die Fahne geschrieben?
Wissen Sie wie man im Ernstfall Hilfe leistet, wissen Sie wie man die CPR-Geräte korrekt anwendet? Die Bümplizer Samariter haben mit dem Kurslokal im Restaurant Kleefeld einen Ort gefunden, wo sie aktiv Kurse anbieten. Die zahlreichen anderen Berner Vereine bieten in ihren Quartieren auch Kurse für Firmen an oder Aus- und Weiterbildung im Bereich der Ersten Hilfe sowie Kurse zu Kindernotfällen. Der Samariterfahrdienst hat zudem vier Kleinbusse im Mietangebot für 9 bis 12 Personen (www.bernersamariter.ch). Hauptziel ist dieses Jahr zudem die Ausbildung von Jugendlichen. Bei Help Bern (www.help-bern.ch) können auch Jugendliche schon früh mitmachen. Nebst Lernen wird auch Plausch und Erleben grossgeschrieben und Pfingstlager gehören natürlich auch dazu.
Interview: Corinne Remund